2020_07_04 Schnittkurs_Süßkirsche

04.07.2020  Bericht vom Sommer-Schnittkurs & Pflegearbeiten im Garten
oder:                Wild-West-Szenen auf Wilhelms Wiese?

Demjenigen, der am Samstag, 4. Juli, kurz nach 14 Uhr vom Wadgasser Kirmesplatz aus auf die Streuobstwiese am gegenüber-liegenden Ufer der Bist schaute, bot sich ein Bild, das an einen Wild-West-Film erinnern konnte:

Mehr als 20 Banditen und Banditinnen (oder wie lautet die weibliche Bezeichnung??) mit Masken vor Mund und Nase standen im Halbkreis um einen einzelnen Mann herum.Ein Zaun versperrte ihm den Fluchtweg nach hinten. Obwohl mit einem langen Stock bewaffnet, schien er seine letzten Worte zu sprechen, um dann auf die Leiter zu steigen, die an einen Ast des mächtigen Baums angelehnt war. Passenderweise hatte er schon ein Seil umgebunden. Aber warum um seinen Bauch? Und was sollte der rote Helm auf seinem Kopf?
Dieser Baum soll geschnitten werden: Alles über der roten Linie muss weg - und einiges von dem, was rechts und links so ausladend gewachsen ist.

Tatsächlich waren Seil und Helm sinnvolle Sicherungs-maßnahmen:
Josef Wilhelm, Baumwart des OGV Wadgassen und vermeintliches Opfer, wollte seinen Kirschbaum auf ein deutlich niedrigeres Niveau zurückschneiden. Und die "Horde der Maskierten“ setzte sich aus Interessierten zusammen, die von Rehlingen bis Bischmisheim angereist waren, um ggf. etwas für die eigene Gartenarbeit zu lernen. 

Mit Hilfe des "Stockes" – einer Teleskop-Stange mit „sau“-scharfer Säge an der Spitze – kappte Josef zunächst einige Meter der Baumspitze samt mehrerer Seitenäste.

Üblicherweise beginnt er beim Baumschnitt mit den unteren Ästen und arbeitet sich nach oben vor. Heute wählte er die umgekehrte Reihenfolge: Sollte nämlich einer der schweren Äste beim Fall nach unten andere Äste beschädigen, bliebe immer noch die Möglichkeit, den geknickten Ast zu entnehmen und die unbeschädigten zu erhalten. Beim üblichen Vorgehen wäre die Auswahl reduziert.

Das Runterbugsieren des Schnittgutes dauerte übrigens viel länger als das Sägen selbst.
Während sich Josef Wilhelm 
in der Baumkrone austobt,
wird er genau beobachtet.
Nach kurzer Zeit war die Krone ausgelichtet - das Blau-Weiß des Himmels war wieder zu sehen.

Dann fielen dickere Seitenäste;  aus Gründen der Symmetrie mussten ja auch die Seiten rundum gekürzt werden.Hier hatten die Besucher sogar Mitspracherecht.Auf vielfachen Wunsch und nach intensivem Zureden kappte Josef endlich einen Ast, der nach Meinung der Besucher eindeutig zu weit raus ragte.

Das Prinzip seines Vorgehens war klar. Damit es für die Besucher nicht zu langweilig würde, verschob Josef die restlichen Schnitte auf einen anderen Tag und ging zum nächsten Kursthema, der Pflege von Obststräuchern, über. Himbeeren, rote und schwarze Johannisbeerenwaren nun an der Reihe.
Der 1. Schritt war geschafft: Die linke Hälfte war in der Höhe erkennbar gestutzt. Den Rest wollte Josef Wilhelm ein paar Tage später schneiden und sich nunmehr mit seinen Gästen anderen Themen widmen.
Foto oben: Einer der Besucher entdeckte einen seltsamen Baum. Das Rätsel war bald gelöst: Es handelte sich um einen Weißdorn, an dem ursprünglich nur Beeren wuchsen. Bis zu dem Zeitpunkt, da Josef mit seinen Spielereien, von ihm als „Veredeln“ bezeichnet, begann. Mittlerweile erntet er von diesem einen Baum Beeren, Birnen, Mispeln („Hundsärsch“), Quitten und Nashi. Nur Gurken und Salat wollen nicht daran wachsen.

Foto links: Schwarze Johannisbeeren könnten ganz einfach geschnitten werden:Einjährige Triebe werden nach der Ernte entfernt - von den neuen sollen 7-10 stehen bleiben, der Rest entnommen werden. Wenn da nur nicht der Altersgeiz wäre!
Randbemerkung:
Wer Josef kennt, weiß, dass er Kirschen und Beeren am liebsten im Sitzen erntet: Zweige mit viel Ertrag werden abgeschnitten, mit der Schubkarre in den Schatten gebracht und – im Idealfall – bei einer Flasche Bier von der Frucht befreit. Bei seinem Weißdorn-Mix darf er natürlich so nicht vorgehen. Dem Vernehmen nach tüftelt er an einer Ersatzlösung: Variante A – im Stuhl sitzen bleiben, den Baum drehen – funktioniert (noch) nicht. Bleibt evtl. Variante B: den Stuhl um den Baum kreisen lassen. Wir sind gespannt.


Weiter im Kurs:
Anschließend zeigte Josef die Schäden durch Wildschweine und – aktuell – zwei Rehe, die immer wieder einen Weg auf sein Grundstück finden.

Der Verbiss an Gemüsepflanzen und jungen Baumtrieben ist enorm. Die Rehe sollen es nur nicht zu bunt treiben, Josef ist kein Vegetarier.
Ungläubiges Staunen dann beim Ausdünnen der übervollen Apfelbäume: Ganze Zweige mit kiloweise Äpfel dran schnitt Josef ab, um den größeren Ast zu entlasten.

Mit Dachlatten die Äste stützen, diese Vorgehensweise scheidet bei der Vielzahl an Bäumen (rd. 180) allein schon aus Kosten-gründen aus. Außerdem könnte man in dem Stangenwald nicht mehr gut mähen …
Nach und nach arbeitete sich die Gruppe in Richtung Ausgang vor. Fragen zum Veredeln, die viel Fachwissen verrieten, aber auch solche zu Baumpilzen und sonstigen Krankheiten kamen unterwegs auf und wurden beantwortet; Anschauungsmaterial gab es auf Josefs Grundstück auch hierzu.

Am Geräteschuppen angekommen, gab es je nach Wunsch Erfrischungen: Wasser, Bier, Hochprozentiges (zum weiteren Abtöten etwaiger Viren) oder Apfelsaft aus dem Vorjahr. Hätten wir davon doch nur mehr gehabt! Wir hätten alles verkaufen können. Kurz vor 17:00 Uhr verabschiedeten sich die letzten Gäste. Und wir konnten sicher sein, neue Freunde und Mitglieder des Vereins gewonnen zu haben. Klasse!
Am Donnerstag hat Josef erneut an dem Baum geschnitten - bis es ihm bei über 30 Grad zu warm wurde. Mal sehen, wie die Süßkirsche in zwei Wochen aussieht.
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